Sometimes I´m a little bit tired of constructing the world on my own …

Ich konstruiere meine Welt seit Jahrzehnten größtenteils selbst und treffe darauf basierend meine (Lebens-)Entscheidungen. Ich diskriminiere etwas laufend „als“ Etwas. Nehme subjektive Interpretationen und Zuschreibungen vor. Klassifiziere und teile ein und bin am Ende sehr davon überzeugt, dass meine Fantasiewelt der Fantasiewelt der Anderen entspricht. Auf dieser vermeintlichen Fehleinschätzung basieren meine (täglichen) Entscheidungen.

Zusätzlich habe ich den Eindruck, dass meine Entscheidungen auch durch von mir vermutete Erwartungen der Anderen beeinflußt werden. Wenn ich schon zu einem großen Teil die Anderen bin, dann will ich das bewusst und unentschieden genießen.

Mit meinem Projekt „ichmachwasihrwollt“ will ich diesen Gedanken nachgehen und prüfen, was passiert, wenn man beginnt sämtliche Entscheidungen von Anderen treffen zu lassen.

Ich will ferngesteuert sein. Von Anderen entschieden werden. Muster und Routinen aufbrechen. Meine Perspektive erweitern.

Auf der Karte war meine aktuelle Position sichtbar. Darunter – und auch via Facebook – hattet ihr die Möglichkeit, mit mir zu kommunizieren und Anweisungen zu geben. Im Bereich Blog findet ihr eine aktuelle Dokumentation.

Das Projekte startete am 7.9.2015 um 10 Uhr und lief bis 11.9.2015 um 24 Uhr.

Hier konntet ihr mir mitteilen, was zu tun ist. Weiter kleinteilig entschieden wurde ich von den jeweils nächstmöglichen Personen.

Online Anweisungen:
Tag 1: 252286.shoutbox.de
Tag 2: 252451.shoutbox.de
Tag 3: 252462.shoutbox.de
Tag 4: 252467.shoutbox.de
Tag 5: 252475.shoutbox.de

Vielen Dank an alle, die dabei waren! Eine Dokumentation der Woche findet ihr auf Facebook. Persönliche Eindrücke unter dem Menüpunkt Essenz.

Tag1 – ichmachwasihrwollt:

Wow, was für ein erster Tag!
Ich bin k.o. aber will doch noch ein paar erste Eindrücke aufschreiben.
Start: „Gehe auf die Straße, versperre den Passanten den Weg und lasse sie erst durch, wenn du sie überzeugt hast, dass sie an dem Projekt mitmachen und dir eine Entscheidung abgenommen haben…“ Okay, los geht´s. Aber wie eigentlich? Fahrrad, Ubahn oder gar Auto? Mitmensch entscheidet Fahrrad. Gut. Aber welche Route? Okay auch nachgefragt und entschieden worden. Ankunft Mahü. Hunger. Werde zum Bobobäcker geschickt. Verkäuferin wählt mir ein Rosinenbrötchen aus. Rosinen hasse ich:

Zurück zur ersten Online-Entscheidung: Passantin aufgehalten und gefragt, was zu tun ist: „Such Dir einen Job“. Nächste Entscheidung: wo, wie? Anderer Passant entscheidet: „Ganz klar, Hotel“. Nächste Person: „Hotel Arian“. Dort angekommen Rezeptionist: „Kein Job, gehen Sie zurück auf die Mahü und fragen Sie jemand anderen“. „Marktstand“. Nix. „Kantine MQ“. Nix. „Caritas Westbahnhof“. Warteliste, Einsatz frühestens Ende der Woche. Mann schickt mich ins Westend, Kellner serviert mir ein Bier und entscheidet, dass ich in 15 Minuten wieder gehen muss. Zeitgleich Online-Anweisung: „Mach ein Nickerchen auf einer Bank“. Super, ein Bier intus und jede Menge Bänke im Westend. Dann die Anweisung: Univortrag über die Gleichstellung von Katze und Hund. Ich werde entschieden: Wirtschaftsuni, Audimax, eh klar:

Tag2 – ichmachwasihrwollt:

Das Projekt verändert etwas hinsichtlich meiner Einstellung zu (alltäglichen) Entscheidungen. Sie erscheinen unwichtig. Tätigkeiten und Schauplätze werden zur Nebensache. Ich hab mich mit und gondle unentschieden durch die Welt. Was Relevanz hat ist gut eingepackt, wenn ich mich akzeptiere, ehrlich zu mir bin und entsprechend agiere.

Auch interessant zu beobachten und mit dem ersten Punkt verbunden ist die Tatsache, dass Veränderungen am Körper – Haltung, Kleidung, Ausdruck – viel mehr Einfluss auf das Verlassen von Routinen haben als Orte und Tätigkeiten. Letzteres erscheint, wie oben bereits angeführt, fast wirkungslos.

Tag3 – ichmachwasihrwollt

Ich habe ichmachwasihrwollt bewusst ganz offen gelassen. Keine Einschränkungen des Ortes, der finanziellen Mittel,… Der heutige Tag 3 hat mir sehr schön gezeigt, wie wenig Bewusstsein ich bisher dafür hatte, wie ich jedes Entschieden werden inhaltlich werte. Wenn ich tatsächlich unentschieden sein will und damit Dinge nicht von vornherein diskriminieren will, führt für mich kein Weg daran vorbei auch dieses – teilweise sehr automatisierte, fast unbewusste – Werten zu hinterfragen. Die Grenze zwischen Werten und Entscheiden erlebe ich als sehr, sehr schmal.

Spannend erscheint mir die Analyse der online abgegebene Entscheidungen. Die Bandbreite ist enorm und ich hüte mich sehr davor, dahinterstehende Beweggründe festzulegen. Spontan scheint es mir, als steckt hinter den Aufgaben oft ein eigener Wunsch sich Dinge zu trauen. Das Gefühl, dass der Wunsch vorhanden ist, jemanden in Schwierigkeiten zu bringen, habe ich bisher noch nicht wahrgenommen.

Es scheint auch ein gewisses Massenphänomen hinter der Aufgabenausrichtung zu geben. Polterabendaktion zieht Polterabendaktion nach sich, Mitmenschaktion eher Mitmenschaktion.

Das Projekt wird sich am morgigen Tag 4 etwas verändern. Mehr dazu dann tagesaktuell auf Facebook. Für heute war´s das. Vielen Dank an alle, die mitgemacht haben!

Tag4 – ichmachwasihrwollt

Facebook bzw. Onlinepräsenz verändert das Projekt. Ich persönliche denke in vielen Situationen daran, ob es gerade jetzt vernünftig wäre ein Bild/Video zu machen, um das Erlebte möglichst gut im Internet zu teilen. Das lähmt mich. Schränkt mich ein.

Ich bemerke auch, dass ich von Tag zu Tag etwas mehr davon enttäuscht bin, dass ich ichmachwasihrwollt nicht ganz in eine von mir insgeheim erwünschte Richtung gebracht habe. Die Botschaften vielleicht nicht gut genug kommuniziert habe. Ich schätze es auch diese Erfahrung zu machen um so in Zukunft mit noch wirkungsvolleren Projekten an den Start zu gehen.

Am Tag 4 und auch am morgigen Tag 5 begleitet mich mein Freund Max, dem ich auch an dieser Stelle dafür eine herzliches „Danke Digga“ schicken will!

Max´s Impressionen von Tag 4:

Der Start viel mir relativ schwer, meine Hemmschwelle fremde Menschen anzusprechen um mich/uns zu entscheiden ist dann aber recht schnell gesunken. Kleider machen Leute – zumindest nach außen. Sobald man dann ins Gespräch kommt, ist man überrascht, wie sehr man sich oft vom ersten, oberflächlichen Eindruck täuschen hat lassen.

Tag 4 wurde durch die Aufgabe des „Händchen haltens“ geprägt. Eine kleine Geste mit großer Wirkung. Positive Resonanz von Personen mit denen man normalerweise in Konkurrenz stehen würde.

Tag5 – ichmachwasihrwollt

Auch am letzten Tag von ichmachwasihrwollt gelingt es mir nur sehr eingeschränkt, Entscheiden komplett aufzugeben und mich treiben zu lassen. Immer wieder werte ich und treffe damit richtungsgebende Minientscheidungen.

Außenorientierung: Ist es ein „gutes“ Projekt? Gibt es Likes auf Facebook? Ist es ernsthaft genug oder Kindergeburtstag? Gefällt es den Menschen rundherum? Auch das war immer wieder Teil meiner Überlegungen.

Eindrücke Max:
Am zweiten und letzten Tag des Projekts frage ich mich, ob den Menschen um uns herum wirklich so viel egal ist, wie wir es erfahren. Ob du dich nach dem Mittagessen erkundigst oder denjenigen erfahren möchtest, der 100€ gespendet bekommt – juckt keinen. Außer uns vielleicht. Ein Auftrag wie diese 100€ bewegt etwas. Es sind wenige, aber gute, die es dann doch interessiert und nachhaken – warum, wer, was, wohin geht es und woher kommt es.

Fazit nach zwei Tagen: Zu kurz und durchhalten. Die Täler können tief sein aber dadurch werden die Höhen nur höher. Und Danke!